Montag, 24. November 2008

Die Lesung

 

Ich sitze an einem Tisch mit etwa zwanzig anderen Menschen. Jeder von ihnen ist Autor. Jeder von ihnen liest eine Geschichte oder zwei oder drei. Alle sind unterschiedlich alt, und alle haben etwas zu sagen. Die Aktion „Parchim liest“ ist in vollem Gange. Ich allerdings bin nicht nur zum Zuhören da. Nein, ich soll lesen. Vor das Publikum treten und meine eigenen Werke präsentieren.

Als ich die Einladung dazu bekam, war ich irgendwie stolz. Ich fühlte mich geehrt. Dann aber wurde ich langsam unsicher. Jeder, der mich ein Weilchen kennt weiß, wie viel Angst ich davor habe vor Menschen zu stehen und etwas zu sagen. Kleiner Zusatz für jeden Anna-Schauer auf Sat1: Nein, ich bin kein Stockfisch wie sie, aber ich kenne solche Situationen sehr gut, in denen einem einfach kein Wort über die Lippen kommt. Und: Ja, ich weiß, das verträgt sich nicht sonderlich mit dem Beruf der Journalistin und des Pfarrers auch nicht, aber ich bin ja noch am Lernen.

So, und nun zurück zum Thema: Neben mir sitzt ein Junge aus der 6. Klasse. Inständig hoffe ich, dass seine Geschichte schlechter ist als meine eigene und dass ich nicht nach einer super tollen Lesung dran bin und völlig abloose. Im Kopf gehe ich Hundertmal meinen Einstieg durch und jeden worst case, der mir in den Sinn kommt: Ich falle vom Stuhl und bleibe zitternd liegen. Die Feuerwehr kommt und der Krankenwagen und die Polizei. Mordverdacht. Das Gute kommt mir dabei gar nicht in den Sinn.

Zwei Stunden warte ich, dann bin ich endlich an der Reihe. Und tatsächlich: Ich fange leicht an zu zittern. Stolpere schon auf dem Weg zum Tisch und dann sitze ich an dem Pult, das für die Lesenden vorbestimmt ist. Ich sitze, mache ganz locker meine Einleitung, schaue jedem einzelnen ins Gesicht, der mir in den Blick kommt und lese vor. Die Freude wächst, und mein Elch Willi, der genug von dem kalten Winter in Skandinavien hat, nimmt langsam Form und Farbe an. Ich habe meinen Spaß und ein paar Schmunzler später frage ich mich einfach nur noch: Warum? Warum um alles in der Welt bin ich immer wieder so aufgeregt und traue Gott einfach nichts zu? Stattdessen verdächtige ich ihn, mir Steine in den Weg zu legen, mich durch so eine Aufgabe bloßstellen zu wollen. Könnte so auch Mose gedacht haben, als er den Auftrag von Gott bekam zum Pharao zu gehen und um die Freilassung seines Volkes zu bitten? Vielleicht. Er fand die gleichen Ausreden wie ich: „Nein, ich kann das nicht, such dir jemand anders, der besser darin ist, als ich.“ Tja, dumm ist es nur, wenn Gott der Meinung ist, dass genau Du der oder die Richtige für diese Aufgabe bist.

Sein Ziel ist es nicht mich bloßzustellen oder klein zu machen. Er möchte, dass ich aus meinen Aufgaben gestärkt und mit neuem Mut herausgehe. Auch dann, wenn es einmal nicht so gut läuft. Gott zeigt mir meine Grenzen, aber er zeigt mir auch, wie ich über sie hinausgehen kann. Alles zu seiner Zeit.

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