Dienstag, 10. Juni 2008

Barmherzigkeit

 

Was fällt dir ein, wenn du dieses Wort hörst? Mir fällt, ehrlich gesagt, erstmal nur was zum Wort Unbarmherzigkeit ein – nämlich meine Zimmertür. Die hat nämlich die Angewohnheit, immer dann zuzuknallen, wenn ich das Fenster öffne und es Durchzug gibt. Ich schaffe nie, das zu verhindern, egal wie schnell ich durchs Zimmer sprinte wie sehr ich auf sie einrede. Das finde ich unbarmherzig!

Aber wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Auch ich bin unbarmherzig. Nicht nur gegenüber Personen, denen ich mit Vorurteilen begegne. Ich bin auch und insbesondere unbarmherzig gegenüber Menschen, denen ich vertraue und die mich dennoch immer wieder enttäuschen. Menschen, die mir wieder und wieder sagen, wie scheiße ich bin, und die gar nicht wissen, was sie damit anrichten…

Wie könnte ich das verzeihen? Ich geb’s zu, in solchen Fällen wünsche ich mir einen persönlichen Racheengel. Wut und Frust sind einfach zu stark. Das hat Nebenwirkungen: Frust frisst. Er frisst sich in die Gedanken hinein und hinterlässt ein schlechtes Gefühl. Ich sage oft: „Ich bin nicht nachtragend, aber ich vergesse nichts!“ In Wahrheit meine ich damit: „ Das verzeihe ich dir nie“. Fazit: Der Frust nimmt zu.

Gerade in solchen Zeiten begegnen mir Bibelverse wie Matthäus 5,7: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“

Warum soll ich Anderen gegenüber barmherzig sein? – Genau deshalb.

Gott weiß, wie schwer es mir fällt, Schlechtes zu vergessen. Er weiß, dass barmherzig zu sein gefährlich ist. Es wird ausgenutzt. Schließlich kennt er auch meine Gefühle anderen Menschen gegenüber. Kennt meine Ausreden, mit denen ich mich um Dinge drücke, die ihm wichtig sind.

Doch er sagt: „Gerade dann, wenn deine Barmherzigkeit ausgenutzt wird und du verletzt bist, dann bin ich da. Oder dann, wenn du unbarmherzig gegenüber anderen bist, bin ich da. Ich halte an meinem Versprechen fest, auch wenn du deinen Teil nicht erfüllst.“ Das heißt Barmherzigkeit – die liebevolle Zuwendung zu einem Menschen, auch wenn er untreu ist, seinen Teil der Abmachung nicht einhält. An dieser Stelle fällt mir wieder meine Zimmertür ein: Sie hat noch eine Angewohnheit: Kurz nach dem Zuknallen kriegt sie Gegenwind und geht wieder auf.

So handelt Gott. „Meine Tür ist offen für dich, auch wenn du sie so oft zugeschlagen hast. Ich stehe dir zur Seite.“

Gott ist barmherzig mit mir. Er weiß um meine Schuld, so wie ich um die Schuld derjenigen Menschen weiß, die mir wehtun. Doch meine Schuld vor Gott ist weitaus größer. Denn ich verachte Menschen, für die er gestorben ist. Trotzdem ist er mit mir barmherzig, rechnet er meine Schuld nicht an. Er fängt mit mir von vorn an.

Davon will ich lernen, auch wenn es nicht leicht ist. Ich will anderen keine Tür mehr vor den Kopf knallen, sondern sagen können: „Ich will mit dir barmherzig sein.“

geschrieben für Trutv.de

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